Ende Mai berich­teten meh­rere Ber­liner Regio­nal­zei­tungen dar­über, dass es im Wed­dinger Freibad Plöt­zensee wäh­rend der Vor­be­rei­tungen zu einem Musik­fes­tival names „Berlin-Latin-Sound“ zwi­schen den Veranstalter_innen und den Betreiber_innen des Frei­bades zu einer ras­sis­tisch moti­vierten Aus­ein­an­der­set­zung gekommen war.

Festival-Veranstalter Jan Stens erhob dabei schwere Vor­würfe: Von Beschäf­tigen des Bades seien Sätze gefallen wie: „Die von der Crew sind ja alle ganz nett, aber schade, dass die aus Neger­land kommen“. Ein anderer Beschäf­tigter des Bades habe auf seinem Handy das Lied einer Neonazi-Band als Klin­gelton abge­spielt und in Bezug auf Stens‘ Team stets von „den Öl-Augen“ gespro­chen. Die ras­sis­ti­schen Beschimp­fungen sollen sich fort­ge­setzt haben, als eine aus dem Iran stam­mende Frau als „aus­län­di­sche Fotze“ beschimpft und ein dun­kel­häu­tiger Mann auf­ge­for­dert worden sei „zurück nach Neger­land“ zu gehen. Auch die neo­na­zis­ti­sche Marke „Thor Steinar“ soll von meh­reren Beschäf­tigen getragen worden sein. Letzt­end­lich soll es zu einem kör­per­li­chen Angriff auf Stens gekommen sein, wor­aufhin dieser das geplante Fes­tival absagte und den Vor­fall bei der Polizei zur Anzeige brachte.

Kurz darauf ver­öf­fent­lichte Strandbad-Betreiber Erik Müller eine Stel­lung­nahme, in wel­cher er Festival-Veranstalter Stens vor­wirft die Rassismus-Vorwürfe tat­säch­lich aus öko­no­mi­schen Motiven heraus zu tätigen. Als Hin­ter­grund nennt Müller Ver­trags­strei­tig­keiten mit Stens, nachdem das zustän­dige Bezirksamt für das Fes­tival keine Geneh­mi­gung erteilt habe. Müller und sein Geschäfts­partner Rudolf Singer haben das Strandbad seit 2009 von den Ber­liner Bäder­be­trieben gepachtet.

„Der will in eine Kerbe hauen, die immer funk­tio­niert: Der Vor­wurf, wir seien rechts­ra­dikal“, lässt sich Müller in der Ber­liner Zei­tung vom 31. Mai 2013 zitieren. In einer auf heißt es, dass sich die Betreiber_innen und Beschäf­tigten des Frei­bades „von den Ras­sis­mus­vor­würfen klar und deut­lich dis­tan­zieren und Ras­sismus aufs schärfste ver­ur­teilen!“

Außerdem schreibt er: „Einer der zwei Pächter des Frei­bades Plöt­zensee ist jüdi­schen Glau­bens mit einem so genannten „Migra­ti­ons­hin­ter­grund“, genau wie 5 der 7 Ange­stellten dieses Betriebes“ und fol­gert daraus: „Im Freibad Plöt­zensee gibt es über­haupt keinen Platz für Ras­sismus!“ Dabei ver­kennt er jedoch, dass weder ein „jüdi­scher Glauben“, noch ein „Migra­ti­ons­hin­ter­grund“ aus­schließen, dass ein Mensch ras­sis­ti­sche Hand­lungs– und Denk­muster ver­in­ner­licht hat und im gege­benen Fall danach han­delt.

Um den­noch die Wogen zu Glätten und abge­schreckte Bade­gäste zu beru­higen, gibt Müller auf zum Freibad-internen Umgang mit „Per­sonen mit Tat­toos und Klei­dung die man der rechten Szene zuordnen kann“ fol­gendes preis:

„Bei uns im Bad gibt es an einem warmen Tag meh­rere Tau­send Besu­cher, unsere Bade­meister können hier nicht auf dem Gelände Streife Laufen und nach auf­fäl­ligen Tat­toos und Klei­dung aus­schau halten! […] Sobald sich ein Bade­gast beläs­tigt fühlt kann er natür­lich jeder­zeit auf unsere Ange­stellten zugehen und Ihnen die Situa­tion schil­dern, die dann durch unsere Ange­stellten geklärt wird, die Betref­fenden Bade­gäste würden natür­lich sofort des Bades ver­wiesen werden! Zu unseren Ange­stellten, diese sind ver­pflichtet im Bad ihre Arbeits­klei­dung zu tragen dies sind Oran­gene T-Shirts.“

Uns liegen Infor­ma­tionen vor, wonach im Freibad Plötz­sensee der­zeit min­des­tens eine Person eine Tätig­keit als Schwimm­meister ausübt, die in der jün­geren Ver­gan­gen­heit durch neo­na­zis­ti­sche Akti­vi­täten auf­ge­fallen ist.

Neonazistischer Schwimmeister bei der Arbeit im Freibad Plötzensee, August 2013

Neo­na­zis­ti­scher Schwim­m­eister bei der Arbeit im Freibad Plöt­zensee, August 2013

Beim Hitlergruß (m.) mit den Neonazis Sven Lucke und Steve Hennig, undatiert

Beim Hit­ler­gruß (m.) mit den Neo­nazis Sven Lucke und Steve Hennig, unda­tiert

Nachdem er sich bis heute, trotz meh­rerer Ver­öf­fent­li­chungen, in keiner Weise von diesem Enga­ge­ment dis­tan­ziert hat, halten wir es ange­sichts der jüngsten Vor­gänge im Strandbad Plöt­zensee für ange­messen, diese Infor­ma­tionen der Öffent­lich­keit zugäng­lich zu machen. Dass ein Neo­nazi in Funk­tion eines Schwim­m­eis­ters für Gesund­heit und Sicher­heit von Bade­gästen Ver­ant­wor­tung trägt, ist nicht hin­nehmbar.

Auf dem Weg zum Naziaufmarsch in Bernau: Freie Nationalisten Berlin-Mitte, 29.05.2010

Auf dem Weg zum Nazi­auf­marsch in Bernau: Freie Natio­na­listen Berlin-Mitte (2. v. r.), 29.05.2010

Im Jahre 2009 im Umfeld der Neu­köllner NPD aktiv. [1] Im Jahre 2010 zählte er zum Kern der aktio­nis­ti­schen Neonazi-Kameradschaft „Freie Natio­na­listen Berlin-Mitte“, die in jener Zeit mit Schwer­punkt im Wed­ding und angren­zenden Bezirken vor allem durch eine Serie von Sach­be­schä­di­gungen, Gewalt­taten und Pro­pa­gan­da­ak­tionen auf sich auf­merksam machte.

Sein per­sön­li­ches Enga­ge­ment umfasste neben dem mehr­fa­chen Ver­teilen ras­sis­ti­scher Flug­blätter u.a. im Orts­teil Moabit [2], die Teil­nahme an min­des­tens zwei Auf­mär­schen der „Kame­rad­schaft Mär­kisch Oder Barnim“ und einer orga­ni­sierten Ein­schüch­te­rungs­ak­tion bei der ein Dut­zend Neo­nazis vor einem Wed­dinger Haus­pro­jekt auf­mar­schierten und die Bewohner_innen bedrohten. [3]

Rechts: Naziaufmarsch in Bernau (r.), 29.05.2010 | Links: Naziaufmarsch in Strausberg (mit Kamera), 19.06.2010

Rechts: Nazi­auf­marsch in Bernau (r.), 29.05.2010 | Links: Nazi­auf­marsch in Straus­berg (mit Kamera), 19.06.2010

[01] fight.back 04 — Antifa-Recherche Berlin-Brandenburg, Mai 2009, S. 38
[02] Chronik rechter Akti­vi­täten, Auf die Pelle rücken! Anti­fa­schis­ti­sche Infos aus Wed­ding und Moabit — Ein­trag vom 16.06.2010
[03] Chronik rechter Akti­vi­täten, Auf die Pelle rücken! Anti­fa­schis­ti­sche Infos aus Wed­ding und Moabit — Ein­trag vom 16.05.2010

Freibad Plöt­zensee beschäf­tigt Neo­nazi (PDF, 1.7 Mb)

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